Über Nacht zum Genie: im Schlafen lernen

07. Juni 2024

Wer von uns wäre nicht gerne ein Genie, ohne etwas dafür tun zu müssen? Im Schlafen zu lernen klingt daher zu schön, um wahr zu sein. Tatsächlich ist Schlaf ein wichtiger Teil des Lernprozesses. Neue Informationen und Erlebnisse können erst dann in unserem Gedächtnis gefestigt werden, wenn wir über Nacht bestimmte Schlafphasen durchlaufen. Doch Schlaf hat unterschiedliche Auswirkungen auf unser Kurzzeitgedächtnis und unser Langzeitgedächtnis und so spielt auch die Art des Lernstoffes eine entscheidende Rolle dabei, wie unser Gehirn Erlerntes abspeichert. Wir verraten dir, warum der Tiefschlaf besonders wichtig für das Erlernen neuer Vokabeln ist und warum du bestimmte Bewegungsabläufe wie etwa das Spielen eines Musikinstruments nach ausreichend REM-Schlaf besser beherrschst.

Im Schlafen lernen: Was ist dran am Mythos?

Klingt die Vorstellung nicht schön, im Schlafen lernen zu können? Wir legen uns einfach in unsere gemütlichen Betten, schließen die Augen und lassen unser Gehirn für uns die Arbeit machen, während wir friedlich vor uns hindösen. Entspannt und ohne viel Anstrengung neue Dinge wie ein Musikinstrument oder eine Fremdsprache zu lernen, ist in der Realität nur wenigen Genies vergönnt. Die meisten Menschen mit durchschnittlicher Lernbegabung müssen viel Zeit und Mühe investieren, um sich neue Informationen anzueignen. Und damit wir diese dauerhaft behalten, müssen wir sie noch dazu regelmäßig benutzen. Oder kannst du noch genauso gut Fremdsprachen sprechen wie damals in der Schule, als du sie täglich im Unterricht gebraucht hast? Für unser Gehirn zählt am Ende nicht, wie viel Mühe uns das Lernen gemacht hat, sondern es geht ihm um Effizienz. Was von uns nicht genutzt wird, vergisst es wieder, um Platz für neue und relevantere Informationen zu machen. Es wäre daher zu schön, diesen mühsamen Lernprozess in Zukunft zu umgehen und einfach zum Genie zu werden, indem wir uns über Nacht mit Vokabeln oder mathematischen Gleichungen beschallen. Kann das Lernen im Schlaf tatsächlich funktionieren und uns ohne unser Dazutun schlauer machen?

Ist unser Gehirn im Schlaf aktiv?

Wir wissen schon lange, dass guter Schlaf wichtig für unser Wohlbefinden ist. Nach einer erholsamen Nachtruhe wachen wir voller Energie und Tatendrang auf. Dies liegt daran, dass sich unser Körper über Nacht regeneriert. Wichtige Stoffwechselprozesse finden statt, das Immunsystem wird gestärkt und das Muskelwachstum wird angeregt. Doch nicht nur unser Körper ist in der Nacht aktiv, während wir vor uns hindösen. Auch unser Gehirn ist nachts nicht untätig. Bereits die Einschlafphase ist wichtig, damit unser Gehirn neue Lerninhalte optimal im Gedächtnis verankern kann. Wenn wir langsam in leichten Schlaf gleiten, treten bestimmte Hirnstrommuster auf, während derer unser Gehirn Neues abspeichern kann. Diese sogenannten „Schlafspindeln" sind für effizientes Lernen von entscheidender Bedeutung. Ihr ungewöhnlicher Namen kommt daher, dass sie im EEG (Elektroenzephalogramm) ein Muster bilden, das wie eine Wollspindel aussieht. Doch nicht nur der leichte Schlaf spielt beim Lernen eine wichtige Rolle. Auch in der darauffolgenden Schlafphase, dem Tiefschlaf, ist unsere Hirnaktivität stark erhöht.

Das schlafende Gehirn in der Forschung

Forschungsergebnisse durch den Einsatz fortschrittlicher Bildgebungstechnologien, die die Gehirnaktivität visualisieren, haben es uns ermöglicht, das schlafende Gehirn genauer zu untersuchen. Forscher der Universität Bern haben etwa bewiesen, dass Menschen im Schlaf neue Informationen aufnehmen und diese im Wachzustand wiedergeben können. Die Psychologieprofessorin Katharina Henke hat in ihrer Studie schlafenden Versuchsteilnehmern Fantasiewörter vorgespielt, die mit bestimmten Begriffen assoziiert waren, die entweder für große Dinge (wie etwa Elefant) standen oder aber für kleine (Vogel).  Befanden sich die Probanden beim Vorspielen in einer Schlafphase, in denen alle Gehirnzellen gemeinsam aktiv waren, konnten sie nach dem Aufwachen 60 Prozent der Fantasiewörter korrekt als etwas Großes oder Kleines zuordnen. 

Damit haben die Forscher bewiesen, dass Schlaf für das Festigen von Lerninhalten im Gehirn unverzichtbar ist. Schlaf gehört zu jedem Lernprozess dazu, sodass eine Lektion erst dann für uns abgeschlossen ist, wenn wir eine Nacht darüber geschlafen haben. 

Wie funktioniert das Lernen im Schlaf?

Neue Erfahrungen, Erlebnisse und Informationen speichern wir zunächst in unserem Kurzzeitgedächtnis ab. Wenn du also im Paris-Urlaub ein paar neue Vokabeln aufschnappst, gelangen diese Inhalte nicht sofort in den Langzeitspeicher. Zunächst wandern sie in den Zwischenspeicher, den Hippocampus. Dort bleiben sie, bis wir nachts schlafen gehen. Sobald wir die Tiefschlafphase unseres Schlafzyklus erreichen, kramt unser Gehirn die zwischengespeicherten Informationen hervor, um diese anschließend zu sortieren. Bei dieser Gedächtniskonsolidierung werden wichtige Dinge gefestigt und in unser Langzeitgedächtnis übertragen, während unwichtige Informationen gelöscht werden.

Spielt der Lerninhalt eine Rolle?

Nicht alles, was wir am Tag üben, wird von unserem Gehirn gleich behandelt. So existieren grob vereinfacht zwei verschiedene Festplatten, auf denen unterschiedliche Informationen abgelegt werden. Während Daten und Informationen wie der Geburtstag der Freundin oder neue Fremdwörter beispielsweise im deklarativen Gedächtnis gespeichert werden, kommen neue Bewegungsabläufe wie etwa ein spezieller Volleyball-Aufschlag in unser prozedurales Gedächtnis. Doch was haben diese Gedächtnisinhalte damit zu tun, wie wir im Schlafen lernen? Je nachdem, welche Informationen tagsüber gelernt wurden, funktioniert die Gedächtnisbildung beim Schlafen anders. Lerninhalte aus dem deklarativen Gedächtnis werden in der Tiefschlafphase gefestigt. Wenn du ein paar Vokabeln lernst, brauchst du in der darauffolgenden Nacht genügend Tiefschlaf, damit du dich am Morgen besser daran erinnern kannst. Um motorische Fähigkeiten besser zu behalten, ist jedoch die REM-Schlafphase entscheidend. Denn während dieses Traumschlafs werden neue Bewegungsabläufe gefestigt, die wir tagsüber einstudiert haben. Wenn du kurz vor dem Einschlafen ein schwieriges Musikstück gelernt hast, stellst du beim Aufwachen wahrscheinlich fest, dass dir die kniffligen Passagen plötzlich viel leichter von der Hand gehen.

Lernen wie im Schlaf: Wie du deinen Lernerfolg steigern kannst

Du weißt inzwischen, dass unser Gehirn nachts aktiv ist und wir auch dann neue Informationen aufnehmen können, wenn wir schlafen und nicht bei Bewusstsein sind. Dass das Gehirn allein im Schlaf etwa neue Vokabeln oder komplexe Bewegungsabläufe erlernen kann, ohne dass wir diese tagsüber gepaukt haben, ist allerdings bislang noch Zukunftsmusik. So bleiben Szenarien wie im Film Matrix, als der Hauptcharakter Neo Kung Fu durch ein Floppy-Disk-Trainingsprogramm direkt über Kabel im Hirn lernt, für uns nur ein schöner Traum. 

 

Auf lange Sicht müssen wir daher auf althergebrachte Weise lernen und den Stoff des Tages üben und wiederholen – unabhängig davon, ob es sich um eine neue Bewegung oder ein neues Wort handelt. Allerdings kannst du dein Gehirn mit ein paar Tricks dabei unterstützen, im Schlaf effizienter zu lernen, sodass du die neue Fremdsprache oder neue Kampfsportart womöglich schneller beherrschst. Das Geheimnis liegt darin, für eine gute Schlafqualität zu sorgen. Denn eine tiefe und erholsame Nachtruhe hilft uns dabei, das tagsüber Erlernte optimal zu festigen. Schlafmangel dagegen erschwert es uns, die Lerninhalte dauerhaft abzuspeichern. Wenn du deinem Gedächtnis auf die Sprünge helfen willst, solltest du auf folgende Dinge achten:

 

  • Erholsames Einschlafen, um das Entstehen von Schlafspindeln zu fördern.
  • Wiederholen des Lernstoffes unmittelbar vor dem Zubettgehen.
  • Eine gesunde Schlafhygiene, um alle Schlafstadien zu durchlaufen und ausreichend Tiefschlaf und Traumschlaf abzubekommen.

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